Unsere Segeltour von der Bretagne bis zu den Azoren

Ankunft am 16.05.2008: Santa Maria, der südlichsten der 9 Azoreninseln

Yachthafen Vila do Porto, noch nicht fertig erstellt

 

Wir haben das erste unserer mittelfristig gesteckten Ziele erreicht: Am Freitagmorgen, dem 16. Mai, erreichten wir nach 11 Tagen und Nächten auf See die südöstlichste der Azoreninseln, entdeckten hier einen vollkommen neuen Yachthafen und liegen darin fest und sicher vertäut. Die Insel und der Sonnenschein sind so wunderschön wie ich es erwartet hatte und noch aus dem Jahr 2004 in Erinnerung habe.

 

Doch zunächst will ich von unserer Überfahrt erzählen. Wir waren von Morgat in der Bretagne am Montag, dem 05.05.2008, mit ablaufender Tide und Wind aus Nord mit 15 kn ankerauf gegangen, Richtung Südwest. Die Wetterlage erschien stabil, zumal wir am Beginn einer zunehmenden Mondphase waren. Das Segeln erschien angenehm, auch noch, als wir aus der Bucht von Brest auf den Atlantik herauskamen. Um den Steinhaufen der „Ile de Sein" und das weit ins Meer hinausreichende Riff mit dicker Brandung machten wir einen großen Bogen. Am Nachmittag verabschiedete uns eine Schar französischer Delfine und unsere Stimmung war prächtig. Optimistisch entschieden wir uns für den Kurs nach Ponta Delgada auf Sao Miguel. Unser GPS empfahl uns, mit 247 ° auf track zu gehen und unser Boot lief unter Segel hervorragend. Auf der Atlantikkarte aus Papier malte ich unseren Kurs ein und rechnete bei einer optimalen Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 kn und optimalem Wind aus Nord bis Ost einen Weg von 9 Tagen aus.

 

Die erste Nacht war dann unruhig und für uns beide schlaflos. Vor Europas Westküste ist viel Berufsschifffahrt unterwegs. Das in Cherbourg angeschaffte und auf meinem Laptop installierte AIS (Automatik Identification System) lief nachts immer mit und leistete gute Informationsdienste über die anderen Schiffe im Umkreis von 24 sm. Mehrmals warnten uns ein lauter Klingelton und eine rote Anzeige vor einer drohenden Kollisionsgefahr. Wir haben als Segelboot mit Segellaterne zwar Wegerecht, darauf verlassen wollten wir uns aber nicht. Um schnell reagieren zu können, ließen wir zu unseren Segeln die beiden Motoren mitlaufen. Etwa 6 sm, spätestens aber 3 sm vor uns änderte dann das andere Schiff seinen Kurs und ging jeweils hinter uns lang. Die Begegnung mit dem Dampfer „Discovery" kostete uns aber doch einige Nerven, zumal er uns mit gut 20 kn entgegenkam und nur knapp ½ sm an uns vorbei rauschte. Nach Mitternacht schlief der Wind ein, so dass wir mit einem Motor weiter liefen. Der erwartete Sonnenaufgang wurde von dichtem Nebel verdeckt. Erst mit einem leichten Wind wurde die Sicht besser und das Segeln machte wieder Spaß. Die Temperatur stieg mit jeder Meile, die wir weiter südlich kamen. Die Außentemperatur war tagsüber bereits auf 16 ° und die Wassertemperatur auf 9,5 ° angestiegen.

 

Am zweiten Abend auf See besuchten uns zwei Seeschwalben. Nach erstem Besichtigen des Schiffes wurden sie zutraulicher und flogen in den Salon, setzten sich auf die Navigationsgeräte und dann auf Lothars Arm. Schließlich suchten sie sich in der vorderen Gästekoje im Bücherregal ein gemütliches Plätzchen und entschieden sich fürs Einschlafen. Am nächsten Morgen waren sie leider beide tot. Aus dieser Erfahrung heraus beherbergten wir einen ganzen Schwarm von Seeschwalben am nächsten Tag nicht wieder bei uns, obwohl sie es deutlich wünschten. Sie blieben dann sehr fotogen auf dem Steuerrad sitzen und beobachteten uns durchs Fenster. Aber auch sie starben in der Nacht. Wir müssen mal einen Vogelkundigen fragen, was wir besser hätten machen sollen.

Die folgenden Tage waren weniger ereignisreich, manchen Tag war kein einziges Schiff zu sehen. Dafür begleiteten uns Delfine. Wale oder Schildkröten habe ich diesmal nicht auf der Wasseroberfläche entdecken können. Vergeblich schleppten wir Angeln hinter dem Schiff her und der Speiseplan musste ausschließlich mit Bordmitteln bedient werden.

 

Am 6.Tag auf See schlief der Nordwind vollständig ein und die Wasseroberfläche war spiegelglatt. Unser erster Badetag auf See. Die Hygiene, die sonst auf dem schaukelnden Schiff sehr kurz kommt, erhielt unsere volle Beachtung. Wir fühlten uns anschließend wie neugeboren. Anschließend musste in der Windstille der Backbordmotor wieder arbeiten. Am Steuerbordmotor hatte sich ein Quietschen gemeldet und auf Lothar kommt Wartungsarbeit zu. Die Nacht durch hätten wir motoren müssen, entschieden uns aber, Ruhe ins Schiff einkehren zu lassen. Die Position wurde zur Orientierung im Logbuch notiert, das AIS als Wachhund aktiviert und wir gingen schlafen - unter einem herrlichen Sternenhimmel mit aufgehendem Mond und absoluter Stille auf dem großen Wasser Nichts störte uns in dieser Nacht. Am nächsten Morgen waren wir nur etwa 5 Meilen nach Nordost getrieben, etwa 2 Stunden zurück, die wir am Abend zuvor motort hatten. Diese 24 Stunden brachten das kleinste Etmal unseres Törns, nur 50 sm, sonst lag der Durchschnitt bei 130 sm.

 

Der nächste Morgen begrüßte uns mit Südwind, drehte nachmittags nach West und brachte unseren schön abgesteckten Kurs durcheinander. Lothar lauschte täglich morgens und abends über Funk der Wetterrunde von Intermar. Es wurde ein Wechsel des Windes nach Nord angekündigt, aber erst kurz vor den Azoren. Leider haben wir auch in den nächsten Tagen keinen Wunschwind bekommen. Am 10. Tag auf See konnten wir gerade mal 200° recht hoch am Wind laufen und reichlich dicke Brecher schlugen gegen die Frontscheiben und über den Salon. Wir hatten im Groß bereits ein Reff eingebunden, als nachmittags eine dicke Böe aus Nordwest uns regelrecht einige Meter rückwärts versetzte. Für etwa 10 Minuten befanden wir uns in Bergen auf schäumender Gischt und Regen prasselte auf uns nieder. Danach war es ruhig, der Wind kam nun voll aus West. So rauschten wir an dem Breitengrad unseres abgesteckten Zieles, Ponta Delgada auf Sao Miquel vorbei. Der Westwind hatte uns viel zu weit östlich gelassen. Per Motor gegen Wind und Welle hätten wir mindestens 50 sm meistern müssen, was zu Lasten unseres Wohlbefindens und auch des Bootsmaterials gegangen wäre.

 

Am Freitag morgen noch vor Sonnenaufgang waren der Leuchtturm und bald die Lichter des Hafens von Santa Maria zu erkennen. Bei Wind aus Nordwest kamen wir nur 10 sm an die Insel heran. Zunächst versuchten wir es, zu kreuzen, hatten dann aber Landsehnsucht und bemühten für die letzten Meilen die Motore. In Höhe des Leuchtturms sprang eine Schar azoreanischer Delfine zur Begrüßung um das Schiff herum. Sie waren kleiner als die in Frankreich, dafür aber genau so flink, was wir jedes mal wieder bewundern.

 

In 11 Tagen und Nächten haben wir 1.322 sm zurückgelegt, was umgerechnet 2.448,34 km entspricht. Das beste Etmal war 153 kn. Unser Log durchs Wasser zählt inzwischen 11.514nm - im Nordosten von Frankreich hatten wir die 10.000 nm erreicht. Den Großteil der Strecke bewältigten unsere Segel, Groß und Genua. Der Blister aber auch die Sturmfock kamen nicht zum Einsatz. Der Backbordmotor lief 30,6 Stunden, der Steuerbordmotor nur 20,9 Stunden.

Gedanken zu den 11 Tagen auf See, dem Wohlergehen von Schiff und Crew, Auswirkungen der Segeltörns

 

Natürlich sind wir jetzt glücklich und erleichtert, nach den Tagen auf See „unsere Insel" gefunden zu haben. Wir hatten schon mehrfach längere Törns, jedoch noch nie so starke Einwirkung von Wind, Wellen und vor allem überkommendem Wasser, vor allem in den letzten Tagen. Am ruhigen Steg im Yachthafen liegend nahmen wir unsere Catorion in Augenschein. Uns fiel auf, dass die beiden Rümpfe vorn wesentlich tiefer im Wasser lagen, als wir es gewohnt waren, an Steuerbord mindestens eine Handbreit, an Backbord sogar zwei Handbreit tiefer. Dafür ragten achtern die Spiegel aus dem Wasser heraus. Die Dichtungen der beiden vorderen Luken hatten dem Wasserdruck nicht völlig trotzen können. Auch durch die Gummidichtungen des Notausstiegsluks an der Backbordseite vorn war Wasser durchgekommen. Die Kabine war jetzt nicht benutzt worden, so dass wir sie nicht genügend kontrolliert hatten. Lothar brachte die Lenzpumpe mit 12 V und die Tauchpumpe mit 230 V zum Einsatz und bald war das Schiff wieder trocken und nahm seine gewohnte Lage im Wasser ein. Die in der Koje eingelagerten Materialien wie z.B. Malermaterial und Schleifmaschinen wurden zerlegt, süßwassergespült mit Wetprotekt eingesprüht und haben eben ihren Test bestanden. Außerdem hatte Lothar vor Reisebeginn vorsorglich alle elektrischen Teile, die nass werden können, mit einem Sprühmittel gegen Feuchtigkeit eingedeckt, das wir auf einer Bootsmesse erwerben konnten.

 

Diese Erfahrung hat uns gelehrt, dass die regelmäßigen Kontrollen des Schiffes gerade auf Langfahrt sorgfältig zu machen sind.

 

Auch unser Beiboot hat die harten Brecher der Wassermassen nicht heil überstanden. Ein Loch ist bereits geflickt, ein zweites muss wohl noch vorhanden sein und wird in den nächsten Tagen noch gesucht.

Weiterhin litt der Autopilot unter den Wassermassen. Als uns die dicke Böe überraschte und Wasser von oben wie auch unten kam und der Autopilot bei den Windböen von allen Seiten beim besten Willen keinen Kurs mehr halten konnte, gab er auf. Durch lautes Piepen gab er seinen Dienst auf. Möglicherweise musste die Platine zu viel Wasser über sich ergehen lassen. Sie zeigte alle nur erdenklichen ihr einprogrammierten Digits. Nach Stunden der Rückkehr in die Sonne erwachte unser Pilot und leistete wieder gute Dienste. Ohne ihn hätten wir einen so langen Törn nicht bewältigen können.

 

Wie ging es nun uns dabei? Das Schiff bewegte sich anfangs in der langen Atlantikdünung auf 4 bis über 6.000 m Wassertiefe mit halbem Wind von durchschnittlich 10 kn recht angenehm. Später jedoch höher am Wind kamen die Wellen mehr von der Seite und erforderten mehr Aufmerksamkeit bei den Bewegungen an Bord. Bei unseren Wegen durchs Schiff, vom Cockpit in den Salon und von dort in die Rümpfe zur Toilette oder in die Küche musste ständig mindestens eine Hand zum Festhalten dienen. Schwachstellen in der Innenausstattung wie harte Kanten, z.B. über dem Waschbecken oder in den Türverschlüssen brachten oftmals blaue Flecke ein. Regelmäßiges Essen wie auch einige Stunden Schlaf, die uns das AIS ermöglichte, sorgten für einigermaßen Wohlergehen. Als in den letzten Tagen der Seegang zunahm, konnte ich kaum schlafen. Irgendwann hatte ich wohl schon im Halbschlaf die Vorstellung, dass ich einfach nur falsch programmiert sei und zu einem anderen Wohlfühlprogramm greifen müsse. Das ging dann auch gut. Allerdings hatte ich mir eingeschärft, vor dem Aufwachen wieder den alten Modus einzuspielen. Das funktionierte dann aber nicht, denn ich hatte den Code dafür vergessen und war einige Zeit noch recht durcheinander.

 

Die Wege im Schiff sind räumlich absehbar, die Beine werden folglich wenig benutzt. Nach 11 Tagen wieder an Land spüre ich eine merkwürdige Schwäche in den Oberschenkeln. Das macht sich auf dem Weg an Land und vom Hafen in den ca. 3 km oben am Berg gelegenen Ort bemerkbar. Wir haben jetzt wieder die Fahrräder ausgepackt und müssen bei dem Auf- und Ab der Vulkaninsel mächtig in die Pedalen treten. Hier angetroffene deutsche Einwanderer haben mit einem Lächeln bemerkt, dass wir bereits als die einzigen Fahrradfahrer der Insel aufgefallen sind...

Unser Weg ins Dorf Vila do Porto und zum "Tante-Emma-Laden" führt an der Festung vorbei und noch etwas höher hinauf. Der höchste Berg auf der Insel ist der Pico mit 587 m.

Während unseres Aufenthalts auf den Azoren werden wir nach und nach alle Inseln dieser Gruppe besuchen. Hier berichten wir von unseren Ausflügen.